In unserer heutigen Zeit wird Disziplin in der Erziehung von Kindern oft anders gesehen. Pädagogin Ursula Günster-Schöning und Psychologin Isabella Gölles schlagen vor, dass Disziplin wieder stärker ihren Kindern vermittelt werden sollte. In ihrem neuen Buch "Disziplin – Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts" beschreiben sie Disziplin als eine wichtige Fähigkeit für das Leben.Der negative Ruf von Disziplin
Disziplin hatte früher eine positive Bedeutung, wurde aber lange Zeit missbraucht und mit Machtausübung verbunden. Viele Menschen verbinden Disziplin mit Zucht und Strenge, was Eltern nicht für ihre Kinder wollen. In Wirklichkeit geht es bei der Auseinandersetzung mit Disziplin vor allem darum, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.
Was ist Disziplin?
Disziplin ist keine angeborene Fähigkeit, sondern muss erlernt werden. Sie ist die innere Stärke, die es einer Person ermöglicht, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und Herausforderungen zu bewältigen. Disziplin zeigt Kindern, dass sie unabhängiger werden und Emotionsregulation, Verhaltenskontrolle und Frustrationstoleranz lernen.
Ursula Günster-Schöning sagt: "Disziplin ist die Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben. Sie lässt mich Erfolge feiern und mich nicht nur vom Lustprinzip leiten lassen."
Wieso setzen Eltern Disziplin zu wenig um?
Viele Eltern vergessen, dass positive Disziplin genauso wichtig ist wie Freiraum und Selbstbestimmung für ihre Kinder. Sie neigen dazu, den leichteren Weg zu gehen und verlangen zu viel von ihren Kindern. Disziplin bedeutet nicht ständig Kinder anzuleiten, sondern sie zu leiten, sich selbst zu motivieren und Ziele zu erreichen.
Günster-Schöning: "Ich unterstelle allen Eltern, dass sie das Beste für ihre Kinder wollen. Aber manchmal vergessen sie, dass Disziplin eine natürliche Autorität für die Kinder ist."
Wie können Eltern Disziplin vorleben?
Eltern können Disziplin vorleben, indem sie ihren Kindern zeigen, dass sie selbst auch keine Lust auf eine Aufgabe haben, diese aber trotzdem erledigen. Sie können ein Beispiel für die Kinder sein und ihnen zeigen, dass Disziplin und Anstrengungsbereitschaft nichts Schlechtes sind.
Günster-Schöning: "Ich hab jetzt zwar überhaupt keine Lust, das Badezimmer aufzuräumen und zu putzen. Viel lieber würde ich eine Serie gucken oder etwas mit dir spielen. Aber weißt du was? Ich mach jetzt die Musik an und lege los. Und wenn das Bad dann fertig ist, dann machen wir was Schönes."
Was passiert, wenn Disziplin nicht ausreichend vermittelt wird?
Wenn Disziplin nicht ausreichend vermittelt wird, können Kinder sich als Erwachsene nicht selbst verwirklichen. Sie geraten in eine Opferrolle und können nicht so selbstbestimmt leben wie ein disziplinierter Mensch.
Isabella Gölles: "Disziplin ist die Fähigkeit, sich selbst zu überwinden. Nur so können wir wertvolle Mitglieder der Gesellschaft werden."
Warum wird heute zu wenig Disziplin "geübt"?
Heute gibt es eine Diskrepanz in der Erziehung. Kinder werden schnell in die Überforderung gebracht, und Maßstäbe werden heruntergeschraubt. Eltern greifen häufig auf Spiele zurück, um ihren Kindern Frustrationen zu ersparen, was Leistung an Bedeutung verliert.
Günster-Schöning: "Es gibt einen Leistungsdruck in unserer Gesellschaft, und wir müssen Kindern zeigen, dass Scheitern und Frustration zum Leben gehören."
Falsch verstandene Bedürfnisorientierung
Eine bedürfnisorientierte Erziehung ist gut, aber wenn sie einseitig wird, kann es zu einem Ungleichgewicht führen. Kinder müssen lernen, dass nicht alle Wünsche sofort erfüllt werden können. Ein Beispiel ist, wenn Eltern ein Zwei- oder Dreijähriges zu früh an Entscheidungen teilhaben lassen.
Günster-Schöning: "Ich kann einen Dreijährigen morgens fragen: Möchtest du die blaue oder die rote Hose anziehen? Diese Entscheidung kann das Kind treffen. Aber ich kann nicht die Schranktüren öffnen und sagen: Jetzt such dir mal was aus!"
Eltern sind nicht die Freunde des Kindes
Eltern sind die Mama oder der Papa und haben einen Fürsorge-, Schutz- und Erziehungsauftrag. Freunde suchen sich die Kinder selbst aus. Mama und Papa geben Halt und Liebe und bieten einen sicheren Hafen für die Kinder.
Günster-Schöning: "Disziplin ist etwas, das man seinen Kindern im liebevollsten Sinne vermittelt. Aber es braucht auch das Vertrauen in die Kinder."