Psychische Erkrankungen rücken verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Die Caritas-Mitarbeiterin Stefanides aus Geretsried berichtet, dass sie immer mehr Anfragen zu diesem Thema bekommt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Maurus ergänzt, dass Eltern unter enormem Druck stehen und versuchen, allem gerecht zu werden. Wahrscheinlich ist das Thema an viel mehr Frühstückstischen präsent, als man meint. In manchen Fällen können psychische Erkrankungen zu schwerwiegenden Problemen führen. Die Caritas möchte helfen, bevor es so weit kommt.
Es gibt bereits eine Gruppe, in der Betroffene und ihre Kinder sich treffen. Neu dazu kommt ein Eltern-Training, in dem die Kranken viele wichtige Schritte erarbeiten. Durch dieses Training können die Eltern lernen, mit ihren Kindern über das Thema zu sprechen und ein Notfallplan zu erarbeiten.
Psychische Erkrankungen gibt es viele, am häufigsten sind Depressionen. Zu uns kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen, wie Burnout, Zwänge, Ängste und Belastungsstörungen. Jede Erkrankung hat ganz eigene Facetten. Deshalb ist es Katrin Stefanides wichtig, dass das Coaching für die Eltern individuell abläuft. Maurus erklärt, dass am Ende die Eltern für sich ihren eigenen Weg erfinden.
Ein Gespräch mit den Angehörigen gehört dazu. Im Coaching erstellen die Eltern einen Notfallplan. Ob wegen einer stationären Behandlung oder weil die Krankheit die Eltern fesselt und das übliche Erziehungs-Haushalts-Alltags-Pensum nicht möglich ist – ein solcher Plan gibt Sicherheit und die Eltern wissen, dass ihre Kinder immer versorgt sind.
Egal wie unterschiedlich psychische Erkrankungen auch sein mögen, eine Sache ist gleich: Die Eltern haben Angst um ihre Kinder. Sie fürchten, dass die Kleinen unter der Situation leiden oder dass die Krankheit dafür sorgt, dass das Amt die Kinder wegnimmt. Maurus kennt die Sorgen und hat sie von Klienten gehört. Bewahrheitet haben sie sich fast nie.
Die Caritas möchte die Klienten lernen, mit ihren Kindern über das Thema zu sprechen, in einer Art, die zur jeweiligen Altersklasse passt. Es gibt da viele kindgerechte Bücher und Anschauungsmaterial. Eine Leihbibliothek möchte die Caritas erstellen. Und gemeinsame Ausflüge organisieren für betroffene Familien. Im Märchenwald in Wolfratshausen kamen die Fachfrauen schon mit einigen Betroffenen ins Gespräch, während die Kinder rutschten. Gespräche sind der erste wichtige Schritt und können das Tabu auflösen.
Die Weihnachtszeit ist in vielen Familien eine Tradition, eine Zeit des Zusammenkommens. Doch manchmal läuft alles anders als erhofft. Wenn Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen, bleiben ihre Plätze am Tisch leer. Selbst wenn der Kontaktabbruch schon länger besteht, werden Eltern die Konsequenzen in dieser Jahreszeit wieder schmerzlich bewusst. Die Gründe für diesen Bruch sind vielfältig und können tiefgreifende Auswirkungen auf beide Seiten haben.
Für Eltern ist der Entschluss oft ein Schock, während den Kindern ein langer Leidensweg vorausgeht. Sie gehen diesen Schritt, um sich selbst und ihr Wohlbefinden zu schützen, da sie ihre Familie als dysfunktional erlebt haben. Oft findet keine gute Kommunikation oder Gewalt statt, und die Kinder müssen lernen, wie sie mit der Situation umgehen.
Wenn das Kind den Kontakt abgebrochen hat, ist es für Eltern in der Vorweihnachtszeit eine besonders belastende Situation. Keine Besuche mehr, keine Anrufe und Nachrichten bleiben unbeantwortet. Eltern bleiben oft verzweifelt zurück, denn der Bruch erscheint ihnen abrupt. Andererseits fühlen die Kinder, dass dieser Schritt der letzte eines langen, schmerzhaften Leidensweges ist.
Psychotherapeutin Claudia Haarmann erklärt in einem Interview mit der Techniker Krankenkasse (TK), dass die Kinder sich vor der Familie schützen. Sie haben schon lange damit beschäftigt, wie sie einen guten Umgang mit der Situation finden können. Für die verlassenen Eltern lösen die Entscheidung oft Trauer, Wut, Selbstvorwürfe und Verzweiflung aus. Scham spielt auch eine große Rolle, da sie sich später gegenüber dem Umfeld erklären müssen.
Was Eltern in ihrer Verzweiflung oft übersehen, ist dass auch die betroffenen Kinder leiden. Trotz allem wünschen sie sich eine harmonische Familie. Der Kontaktabbruch ist immer eine Entscheidung aus der Not heraus, nicht aus Hass oder Neid. Heilprakterin Brigitte Göbel erklärt im Gespräch mit dem NDR, dass die Kinder sich in diesen Schritt nicht leicht gemacht haben.
Viele Konflikte gingen dem Kontaktabbruch voraus oder die Eltern waren nicht bereit, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Die Kinder sehen den Schritt als die letzte Möglichkeit, sich vor den Eltern zu schützen. Oft brauchen sie eine Pause von den destruktiven Beziehungen zu ihren Eltern. Auch Lebensereignisse wie der Umzug, der Berufsstart oder ein neues Partner können die Beziehung zu den Eltern verändern.
Betroffene Eltern sind oft unsicher, wie sie sich nach dem Kontaktabbruch verhalten sollen. Sandra Konrad rät davon ab, ständig zu versuchen, Kontakt aufzunehmen, da die Kinder dann wieder bevormundet fühlen. Es ist besser, sich auf das eigene Leben zu konzentrieren und das Geschehene zu reflektieren, z. B. mit Hilfe einer Psychotherapie.
Sind Eltern in der Lage, ihren eigenen Anteil an der Situation zu erkennen und die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen, kann es irgendwann wieder zu einer Annäherung kommen. Therapeuten raten, dem Kind zu signalisieren, dass die eigenen Türen immer offen stehen und ihm Zeit zu geben, sich zu emanzipieren und herauszufinden, was es im Leben möchte.